Kalender 2019

Ladengeschichte(n) aus Rocherath-Krinkelt

Dörflicher Kleinhandel

Dieser Kalender mit historischen Fotos – bereits der 13. in Folge – befasst sich mit den sogenannten Dorfläden. Doch nicht spezialisierte Geschäfte wie Bäckerei, ­Metzgerei, Bekleidungsgeschäft, Mehl-, Eisenwaren- und Getränkehandlung oder Viehhandel sind gemeint, sondern Läden, deren Inhaber sich zu preußischer Zeit „Specereihändler“ und zwischen den 1920er und 1960er Jahren „Kolonialwarenhändler“ nannten.

Die verschiedenen Bezeichnungen können verwirren. Mit „Kolonialwaren“ wurden Nahrungs- und Genuss­mittel bezeichnet, die aus Überseegebieten und somit vor allem aus Kolonien stammten (Kaffee, Tee, Zucker, Schokolade, Tabak, Reis, Gewürze, Kakao). Unter „Spezereien“ (wörtlich Gewürzwaren) wurden Lebensmittel im Allgemeinen verstanden. Nimmt man dann manche Rohwaren hinzu, die in eine Welt bäuerlicher Selbstversorger passten, sowie erste Industrieprodukte zur Erleichterung des Alltags von Hausfrauen, so kann man sagen, dass meist „Gemischtwaren“ angeboten wurden. Mit „Laden“, „Geschäft“, „Handlung“ oder – moderner – „Kaufhaus“ wird in diesem Zusammenhang im Grunde das Gleiche bezeichnet.

Über die Anfänge

Jahrhundertelang waren Märkte in den Städten die Anlaufstellen zur Versorgung der Bevölkerung mit Dingen, die nicht oder kaum im eigenen Umfeld hergestellt wurden und manchmal einen weiten Weg hinter sich hatten. Die verschiedenen Ortschaften wurden von Hausierern bewandert, die mit kleinen Dingen (oft Kurzwaren) handelten oder bestimmte Dienstleistungen (z.B. das Schleifen von Scheren und Messern) anboten – meist im Tausch gegen Kost und Logis oder Produkten aus der bäuerlichen Welt. Die Vertreter des Wandergewerbes waren gern gesehen, da sie stets Besonderes zu bieten und auch zu berichten hatten. Sie waren es, die am schnellsten zur Verallgemeinerung neuer Handelsartikel, Formen und Muster beitrugen, damit neue Bedürfnisse weckten und diese auch befriedigten.

Noch Anfang des 20. Jh. durchzogen Hausierer die Dörfer. Erinnert sei hier an Peter-Josef Drösch aus Rocherath (Welsche, *1859): Mit der Schubkarre, zuletzt mit dem Hundewagen, ging er bis 1917 donnerstags die Manderfelder Gegend ab, um Naturalien (Eier, Butter, Fleisch, Geflügel) einzukaufen, die er mit ungebrannten Kaffeebohnen in Päckchen von ½ oder 1 Pfund bezahlte, die seine Kinder mittwochs vorbereiteten. Freitags (nach der Schule) holten die Kinder bei Kunden in Rocherath-Krinkelt und Wirtzfeld weitere Eier, Butter und Käse ab. Am Abend wurde alles in Kisten und Körbe verpackt und die Schubkarre beladen. In der Nacht zog Peter-Josef damit los, sodass er um 7 Uhr auf dem Monschauer Samstagsmarkt war. Dort verkaufte er die Waren und belieferte feste Kunden, worauf er noch für seine Kundschaft zu Hause verschiedene in den Dörfern kaum erhältliche Waren (Brötchen, Balsam, Petroleum usw.) erstand.

Der 13. Kalender der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt.

200 Jahre Ladengeschichte

Im Zentrum von Rocherath-Krinkelt liegt die Flur „­Kriemesch Hòòf“ – also „Krämershof“. Sie stand Pate für das dortige Haus Kriemesch. Wie ist der Name zu deuten? Die Entstehung der Flurnamen war im Grunde im 17. Jh. abgeschlossen. Gab es hier also damals schon einen Krämer bzw. Kleinhändler? Nun, der Flurname geht wahrscheinlich auf eine Person zurück, die „Kriemer“ gerufen wurde und deren Haushof sich am damaligen Ortsrand von Krinkelt befand. Der älteste hiesige Nachweis dieses Namens betrifft einen in Wirtzfeld geborenen „Kreimers“ Bartholomäus, der 1688 in Rocherath im Haus seines Bruders verstorben ist. Falls dieser Name auf einen „Krämer“ zurückgeht, dann auf einen Hausierer. Aber das ist Spekulation.

Der erste feste Laden in Rocherath-Krinkelt mit ständigem Warenangebot ist um 1820 entstanden (Kérsch), in den 1830er Jahren kam ein zweiter hinzu (Jasspesch), ein dritter um 1860 (Fähxe). In jener Zeit, als das Wegenetz der Eifel verbessert wurde, stieg auch die Mobilität der Waren. Mit dem Anschluss der Region an das Eisenbahnnetz kannte der Warenverkehr einen Aufschwung. Dennoch reichte es für viele Läden oft nur zum Nebenverdienst.

Ab den 1960er Jahren setzte ein allmählicher Niedergang des Kleinhandels ein, als die Menschen stets mobiler wurden und in den größeren Orten Supermärkte vor­fanden, die Tiefkühlwaren einführten und fast alles mehrfach und oft günstiger anboten. Den „Konsumtempeln“ konnten die kleinen Geschäfte, die sich quasi als Nach­barschaftsläden verstanden, nur wenig entgegensetzen. 1976, als in Rocherath-Krinkelt immer noch 5 Dorfläden existierten, besang der Sänger Udo Jürgens die Situation: „Im Einkaufs­center und Discount, (…) im endlos großen Supermarkt, da (…) liegen die Regale voll; ich weiß nicht, was ich nehmen soll. Da wird das Kaufen zur Tortur“ – worauf er meinte: „Ich geh‘ zu Tante Emma nur! lm Tante-Emma-­Laden an der Ecke vis-a-vis, wenn an der Tür die Glocke bimmelt, ist das beinah schon Nostalgie!“

Heute kann sich in größeren Dörfern meist noch ein Laden halten. Der idealisierte Begriff „Tante-Emma-Laden“, hierzulande bis weit in die 1990er Jahre kaum üblich, hat einen positiven Beiklang. 2017 haben 14 Dorfläden aus Ostbelgien, darunter das Krinkelter „Kaufhaus V.“, die Initiative „Emma 2.0“ gegründet: Diese neue Generation Handlungen setzt betont auf kurze Wege für die Kunden und legt Wert darauf, lokal hergestellte Lebensmittel bester Qualität im Sortiment zu haben. Sie sehen sich zugleich als Treffpunkte, wo Kontakte und Gespräche mit den Kunden nach wie vor an oberster Stelle stehen.

„Denk weiter – kauf näher!“ In diesem Sinne wünschen wir viel Freude beim Betrachten und Lesen dieses Kalenders.

Die Mitglieder der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt

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