Mit diesem Fotokalender 2024, dem 18. in Folge, begeben wir uns auf die Suche nach ersten Spuren von Einwohnern und Häusern der Doppelortschaft Rocherath-Krinkelt. Die ältesten erhaltenen Listen führen uns in den Zeitraum 1500-1700, als manche der heute noch im Dialekt-Ausdruck vorhandenen Hausnamen bereits existierten. Einige der betreffenden Häuser dokumentieren wir mit Bildern aus den letzten 115 Jahren.
Entstehung der Ortschaften
Die Besiedlung der Nordeifel hat relativ spät begonnen. Die Römer bauten ab dem 1. Jh. durch das wegen dichter Waldungen und vennartiger Sümpfe recht schwierige Gelände vereinzelte Verbindungswege. Ab dem 6.-7. Jh. begannen die Franken eine Besiedlung durch Errichtung von „Königshöfen“, darunter auch Büllingen (erstmals 789/90 urkundlich genannt). Von diesen Raststationen der damals durch ihr Reich reisenden Könige ging der Impuls zu weiteren Ortsgründungen aus – immer zunächst mit ein paar Siedlern, die erste Bereiche rodeten und urbar machten. Die Besiedlung des hiesigen Gebiets erfolgte in mehreren Wellen: Nach Mürringen und Hünningen folgten vermutlich im 8.-10. Jh. die Orte Wirtzfeld, Honsfeld und Krinkelt.
Die heutigen Ortsnamen sind das Ergebnis sprachlicher Entwicklungen. So finden wir Krinkelt erstmals in einer Urkunde von 1410 als „Crewinckel“ (Teil eines Pfands des Grafen von Sponheim und Vianden für eine beim Grafen von Virneburg geliehene große Geldsumme)51; daraus wurde „Krevinckel“ (1561) und schließlich „Krinckelt“ (1656).
Rocherath entstand wahrscheinlich erst im 13. Jh.: Der Abt der Abtei Stavelot-Malmedy, dem als Verwalter der Kirche Büllingen der Zehnt der Ernten der zugehörigen Orte zustand, beklagte sich 1240 beim Bischof, dass „die Siedler nach Verwahrlosung ihrer Felder schon seit längerer Zeit damit begonnen hätten, den Wald zu roden“, und von den Ernten der neuen Nutzungsflächen keine Abgaben entrichteten. Es ist anzunehmen, dass jener Rodungseifer nördlich von Krinkelt stattfand und somit von dort aus die Keimzelle einer neuen Ortschaft entstanden ist.2
Rocherath wird bereits in einer Urkunde aus dem Jahr 1335 genannt, in der Dietrich IV. von Valkenburg-Montjoie auf seinen Besitz in „Ruygenroyde“ verwies.33 In der erwähnten Urkunde von 1410 finden wir „Rachenraid“, dann in den Feuerstättenverzeichnissen „Reicherath“ (1552/53), fast zeitgleich mit „Rocherat“ (1561), sodann „Rochenraede“ (1611) und „Rocherodt“ (1656).
Erste (Haus)Namen
Erschwernisse und Drangsale der Menschen im Spätmittelalter bewirkten eine lange stagnierende Entwicklung der Ortschaften, sodass Krinkelt und Rocherath um 1500 noch kleine Weiler waren. Unsere Quellen für die folgenden 200 Jahre sind in erster Linie sog. Feuerstättenverzeichnisse (s. linke Seite). Abgesehen von einem „Aufschwung“ in der ersten Hälfte des 16. Jh. lässt sich aus dem direkten Vergleich herauslesen, dass die Zahl der Häuser rund 150 Jahre lang relativ konstant geblieben ist, bis in der ersten Hälfte des 18. Jh. ein starker Anstieg der Bevölkerung einsetzte (vgl. Tabelle).
Als heftiger Einschnitt erscheint die Zeit des 30-jährigen Krieges (1618-1648): Epidemien und raubmordende Söldner forderten zahlreiche Opfer in der Bevölkerung; viele Menschen waren auf der Flucht. So heißt es im Verzeichnis von 1656 zum desolaten Zustand der Ortschaften: „[In Rocherath sind] seither dem Jahr 1636 sieben häußer Verfallen, davon Kein Erben mehr Vorhanden; die gütter liegen pflegloß“; und „[in Krinkelt sind] Acht häußer Verfallen seither dem Jahr 1636 […] Undt haben sich Etliche Erben danach in frembde Landen begeben“. Die angedeuteten Geschehnisse im Jahr 1636 sind uns nicht näher bekannt; sie müssen aber entsetzlich gewesen sein.
Die Namen der Menschen waren damals nicht so strikt geordnet wie heute. Innerhalb der Familie wurde sich mit dem Vornamen differenziert, innerhalb der Dorfgemeinschaft mit dem Hausnamen, der gleichsam der Familienname war. Über den Hausnamen konnte man in der Ortschaft lokalisiert und einer Familie zugeordnet werden. Oft wurde ein Haus nach dem Vornamen des Erbauers benannt. Der Hausname konnte sich aber im Laufe der Jahrzehnte ändern, wenn z.B. ein neuer Bewohner unter einem markanten Namen bekannt war oder einen besonderen Beruf ausübte. Mit den ab 1684 erhaltenen Kirchenregistern der Pfarre Büllingen (die Pfarre Rocherath entstand erst 1803) begann eine systematische Verschriftung und damit eine allmähliche Festschreibung der Familiennamen.
Historisch gewachsene Hausnamen sind Teil des immateriellen Kulturerbes einer Ortschaft und ihrer Bewohner. Die aktive Nutzung der Hausnamen ist wohl die beste Weise, sie zu bewahren; vereinzelt wird sogar der Namenszug an der Hausfassade angebracht. Möge dieser Kalender dazu anregen, sich mit ihnen zu befassen.
Die Mitglieder der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt
- L. Paasch, Beitrag zur Geschichte der Stadtwerdung von St.Vith im 13.-14. Jahrhundert, Manuskript, S. 137-138 (mit Dank für die ermöglichte Einsichtnahme). ↩︎
- H. Jenniges, Aus der ältesten Vergangenheit der Doppelortschaft Rocherath-Krinkelt, in: Schicksalsgemeinschaft im Schatten des Dreiherrenwaldes, Büllingen 1993, S. 20-21. ↩︎
- E. Neuß, Das Monschauer Land im Mittelalter, Münster 2022, S. 130 (mit Dank für den freundlichen Hinweis). ↩︎
Hausbestand von Rocherath-Krinkelt nach dem 30jährigen Krieg
Die Karte zeigt die Haushalte, die acht Jahre nach Ende des 30jährigen Krieges, laut Hausstättenverzeichnis des Hofes Büllingen aus dem Jahr 1656 noch in Rocherath-Krinkelt vorhanden waren und die wir identifizieren konnten (Transkription und Veröffentlichung: Hubert Jenniges ZVS 6/2000 + 7/2000). Von zwei Haushalten in Rocherath sowie von den Kuhhirten konnten wir keine Spuren mehr finden.
Als erstes steht der Name laut Verzeichnis 1656, danach in Klammern, wenn vorhanden, das Jahr und der Name der bisher ältesten Erwähnung in einem früheren Feuerstättenverzeichnis. Am Ende der bis heute gebräuchliche Hausname.
ROCHERATH
- Heinen, (1552 Heyne), Heene
- Lautters, (1611 Lontters), Luttesch
- Merttes, (1611 Martins), Meertes
- Schmidts, (1611 Schmidts), Schmäets
- Meiß, (1611 Mees), Mies
- Brülsß, (1611 Bruls), Bröls
- Hütters, (1561 Hewters), Hötesch
Thonuß Vogell (nach 1656 nicht mehr nachweisbar)
Kals Anna (nach 1656 nicht mehr nachweisbar)
Konnen Pauluß (Kuhhirte)
KRINKELT
- Girges, (—), (Jerjes, um Mitte 19. Jh. nach Brand verschwunden)
- Juncker, (1561 Jung), Jungejans (bis um 1850) / danach Lüesch
- Thyßges, (1552 Thys geis), Tiesjes
- Krings, (1552 Crisgen), Krenkjes
- Schleck, (1611 Schleck), Schlecke
- Kästges, (—), Keschtjes
Jatzen Steiner (Kuhhirte)
Die aufgeführten Namen der Vorsteher der Feuerstätten von 1656 sind bis heute als Hausnamen in Rocherath und Krinkelt gebräuchlich. Die heutige Aussprache weicht zwar etwas von der damaligen Schreibweise ab, aber vermutlich ist es die heutige Aussprache, die noch immer nahe am Original liegt. Die damalige Niederschrift erfolgte zwar im Beisein von hiesigen Schöffen, aber diese konnten vermutlich nicht lesen und schreiben und konnten auch nicht nachvollziehen wie die auswärtigen Schreiber die gehörten Namen festhielten.
Einige der Namen tauchen schon in Feuerstättenverzeichnissen von vor dem 30jährigen Krieg auf (siehe Klammern) und sind somit schon über 400 Jahre Kulturgut, zu dessen Erhalt wir gerne beitragen möchten.