Tierisches Landleben in Rocherath-Krinkelt
Diese 16. Ausgabe unseres Geschichtskalenders für das Jahr 2022 befasst sich mit Aspekten des Zusammenlebens von Mensch und Tier. Ausgangspunkt sind nach wie vor „ältere“ Fotos, ob aus unserem Fotoarchiv oder neu zur Verfügung erhalten. Wiederum waren wir bemüht, kleine Einblicke in Entwicklungen zu geben und Geschichten zu erzählen.
Die Beziehungen zwischen Mensch und Tier sind vielschichtig und kommen bereits in ältesten Höhlen- und Felszeichnungen zum Ausdruck. Mythen, Sagen und religiöse Textsammlungen verbinden mit verschiedenen Tieren eine hohe Symbolkraft bis hin zum Ausdruck göttlichen Wirkens. Über Jahrtausende hinweg sind Mensch und Tier zusammengewachsen. Unsere fernen Vorfahren konnten verschiedene Tiere an sich binden, indem sie sie domestizierten und sich zu Nutze machten, als wertvolle Helfer oder Lieferer von Grundlagen für Nahrung, Kleidung usw. Manche Wildtiere wurden bejagt, um ihr Fleisch zu verzehren oder ihr Fell zu verwerten; andere wurden erlegt, um sich ihrer zu erwehren.
Wieder andere Tiere suchen geradezu die Nähe der Menschen, da diese ihnen ungewollt ideale Lebensbedingungen verschaffen – man denke nur an „Profiteure“ in Haus und Garten (z.B. Ratten, Läuse, Fliegen, Schnecken usw.). Manchen kann man sich nur schwer erwehren – u.a. mit Fallen gegen Mäuse oder heute geschützte Maulwürfe. Noch bis Mitte des 20. Jh. wurde Fleisch hochgehängt, nicht nur zum Räuchern und Trocknen, sondern auch, um es vor Mäusen zu schützen.
In der hiesigen Hocheifel erschweren Bodenbeschaffenheit und Klima den Ackerbau. Dennoch musste die auf Selbstversorgung angewiesene Bevölkerung der Erde bescheidene Erträge abringen, um sich selbst und die eigenen Nutztiere durch den Winter zu bringen. Auch wenn deren Zugkraft eingesetzt wurde, so waren die lange recht primitiven Bewirtschaftungsmethoden aus heutiger Sicht unglaublich mühselig und erforderten den Einsatz aller, selbst der Kinder. Das Leben von der Hand in den Mund führte immer wieder zu Hunger, Krankheit und Auswanderung bis in die 1880er Jahre.
1873, als die links abgebildete Statistik zum Kreis Malmedy als Momentaufnahme entstand, befand sich die Eifel in einem langsamen Prozess des Anschlusses an besser gelegene Regionen, nicht nur durch den Bau von Straßen und Eisenbahnen, sondern auch durch eine konsequentere Züchtung der Nutztiere. Damals betrieb in Rocherath-Krinkelt fast jeder Haushalt eine Landwirtschaft mit durchschnittlich 5 Stück Rindvieh (z.B. 2 Kühe, die auch Fahr- bzw. Zugarbeiten leisteten, 1 Jungrind und 2 Kälber). Nicht jeder Hof konnte einen Zugochsen versorgen, noch seltener leistete man sich ein Pferd. Federvieh wurde damals noch nicht erfasst, obschon es für das Überleben der Menschen unverzichtbar war. Aus späteren Zahlen lässt sich jedoch ableiten, dass fast jedes Haus 10 bis 15 Stück Geflügel hielt.
1912 hatte der Rindviehbestand um fast 50 % zugenommen, wogegen bei den Pferden mit nur 11 Stück ein Tiefststand erreicht wurde – die legendäre Zeit der Fuhren mit Leder und Tuchen bis Ostdeutschland lag da bereits 40 Jahre zurück. Ganz anders die Entwicklung bei den Schweinen: Während 1873 längst nicht jeder Bauer ein Schwein hielt, waren es 1912 bereits durchschnittlich 2 Stück pro Bauernhof.
Lange Zeit wurden in hiesiger Region bedeutend mehr Schafe als Rinder gehalten. 1811 zählten die Ortschaften der späteren Bürgermeisterei Büllingen zusammen 3.075 Schafe, doch 1873 blieben davon noch 556 und 1912 gar nur 22 Tiere. Interessant ist auch die Entwicklung der Bienenzucht. 1873 lag sie in Rocherath-Krinkelt mit 3 Stöcken noch in den Anfängen, doch 1912 fand man dort bereits 37 Bienenstöcke.
1944 zählte die Gemeinde Rocherath (einschl. Wirtzfeld) 2.350 Stück Vieh, wovon nur 10 die Kriegsereignisse im Zuge der Ardennenoffensive überlebten. Im Oktober 1968 stellte Bürgermeister Königs fest: „1950 hatten wir 2.011 Stück Rindvieh, während es jetzt 3.319 sind. Die Zahl der Pferde ging von 89 auf 17 zurück. […] Seit 1950 ist die Zahl der Schweine von 407 auf 536 angestiegen.“ Übrigens wurden 1964 in den drei Orten neben 9 Ochsen und 35 Pferden bereits 109 Traktoren gezählt. 1950 betrieben 248 von 364 Haushalten eine Landwirtschaft (mit im Durchschnitt 8 Stück Vieh jeden Alters); 1968 gab es noch 207 Betriebe, davon knapp die Hälfte nebenberuflich (16 Stück Vieh pro Betrieb).
1980 verteilten sich in der Großgemeinde Büllingen auf 521 Betriebe mit Rindviehhaltung 15.629 Stück Vieh (30 pro Betrieb). Ab den 1990er Jahren gingen die Gesamtzahlen zurück, auf zuletzt (2020) 8.986 Stück in 92 Betrieben (98 pro Betrieb) – davon in Rocherath-Krinkelt ± 1.650 Tiere in 13 Betrieben (Durchschnitt: 127); die Spanne reicht hier von hobbymäßig 5 über im Nebenerwerb 20-40 bis im Haupterwerb 100 bis über 590 Tiere.
Die Zahl der Schweine ist auf Ebene der heutigen Gemeinde von über 2.500 um 1970 auf 1.505 Tiere 1980 (41 Betriebe) bis 610 Stück 2020 (5 Betriebe) gesunken. 1980 wurden noch 80 Arbeitspferde gezählt (133 um 1965), heute gibt es deren einige wenige in der Waldwirtschaft; dagegen trifft man häufiger auf Freizeitpferde.
In den letzten 60 Jahren hielten sich viele Zeitgenossen Haustiere, die sogar „Moden“ unterliegen (z.B. Hamster, Meerschweinchen, Schildkröten, Zierfische oder -vögel). In dieser Zeit hat sich die Tierhaltung, aber auch das Verhältnis vieler Menschen zu Tieren und tierischen Erzeugnissen stark gewandelt. Heute sind Nutztiere weniger im Freien anzutreffen, selbst auf dem Land verlieren viele Menschen den Bezug zur Herkunft von verpackten Fleisch- und Milchprodukten. Zugleich wächst ein Bewusstsein für „Bio-Qualität“ und lokale Märkte, während die „konventionelle“ Landwirtschaft unrentabler wird.
Vieles mehr ließe sich erzählen. Möge dieser Kalender dazu beitragen, die uns umgebende Tierwelt mit neuen Augen zu sehen. Wir wünschen viel Freude beim Entdecken.
Der Kalender ist erhältlich bei allen Mitgliedern der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt zum Preis von 10 Euro.