Weihnachten unterm Baum

Kalender 2023

Alles Brauchtum oder was?

In unserem Kalender 2023 beleuchten wir einzelne Bräuche, wie sie sich in Rocherath-Krinkelt entwickelt haben – in der gebotenen Kürze und ausgehend von vorhandenen Fotos. Dabei wurde uns bewusst, dass viele aktuelle Bräuche noch gar nicht so alt sind, während andere längst in Vergessenheit geraten sind. Doch was sind eigentlich „Bräuche“? Und wo ist der Unterschied zu „Sitten“ und „Traditionen“?1

Bräuche

Ein Brauch ist eine innerhalb einer Gemeinschaft entstandene, regelmäßig wiederkehrende soziale Handlung be­stimmter Gruppen, für die dieses Tun eine Bedeutung erlangt. Dieses Handeln wird durch einen Ablauf bis hin zu ritualisierten Formen bestimmt. Ein Brauch ist an Zeit, Raum und Ge­sellschaft gebunden und unterliegt kulturellen, sozialen, religiösen und wirtschaftlichen Einflüssen. Bräuche sind Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens verschiedener Gruppen. Somit sind sie keineswegs unveränderlich, sondern vielmehr Teil dynamischer Pro­zesse und Anpassungsvorgänge.

Weihnachten unterm Baum

Bräuche sind folglich ein Spiegel des gesellschaftlichen Umfelds und der sich wandelnden und teils regional unter­schiedlichen (moralischen) Werte der Akteure. Und sie sind Ausdruck einer Tradition, indem sie durch Weitergabe erhalten bleiben und zum inneren Zusammenhalt der Gruppe beitragen.

Der Kalender für das Jahr 2023

Im Laufe der Entwicklung können Bräuche ihre Bedeutung verlieren und zum leeren Selbstzweck werden. Ähnlich wie Rituale werden sie nur dann als sinnerfüllt erlebt, wenn Form und Inhalt zusammengehen. Mit der Industriellen Revolution ging ein Verlust vieler regionaler Bräuche einher. Dies wird häufig als Traditionsverlust beklagt. Ein Aufrechterhalten traditio­neller Bräuche ohne tatsächlichen Bezug zur historischen Bedeutung wird als Folklorismus umschrieben. Umge­kehrt entstehen immer wieder neue Bräuche. Diese haben jedoch oft nicht die gleiche Bindekraft und Lebensdauer wie Bräuche früherer Zeiten. Hinter-grund ist, dass die Traditionsketten, die Bräuche überliefern, kürzer werden.

Selbst kurzlebige Bräuche sind „ge­schichtlich gewachsen und geprägt“, somit vorgegeben und einer gewissen Sozialkontrolle unterworfen. Als „Brauch­tum“ gilt die Gesamtheit der Bräuche einer Gemeinschaft bzw. einer Volks­gruppe. Die menschliche Kultur hat ein reiches Brauchtum entwickelt, be­sonders rund um einschneidende Lebens­momente wie Geburt, Er­wachsen­werden oder Tod oder rund um teilweise jährlich wiederkehrende gesell­schaftliche und religiöse Ereignisse (Jubiläen, Feste und Feiern im Jahres­kreis).

Sitten

Während Bräuche den Ablauf von Handlungen bestimmen, stehen Sitten für die moralische Ordnung hinter den Bräuchen. In früheren Zeiten wurden die Begriffe „Sitte“ und „Brauch“ oft synonym verwendet – zu Unrecht, wie wir hier sehen. Denn im eigentlichen Sinne sind Sitten Gewohnheits­hand­lungen, die den gesellschaftlichen Moralvorstellungen entsprechen.

Sitten sind für bestimmte Lebens­bereiche einer Gemeinschaft geltende und als verbindlich betrachtete Ge­pflogenheiten. Es handelt sich um Regeln ethischer und moralischer Art, also um Werte, die für das zwischen­menschliche Verhalten grund­legend sind. Sie betreffen das in bestimmten Gruppen oder in der Gesellschaft übliche Benehmen, die Umgangs­formen der Menschen untereinander – man denke nur an Konventionen in Sachen Höflichkeit, politische Korrektheit, Kleidung oder Tischmanieren. Oft beruhen sie auf Tradition und Gewohnheit („Usus“), jedoch mit der Einschränkung, dass als schlecht bewertete Gewohn­heiten als „Unsitte“ gelten. Gesetzlich geregelt sind vor allem Verhaltensweisen mit Bezug zur Sexualität; entsprechend werden „Sittendelikte” geahndet. Und wer „kénne Jott on kee Jebott“ kennt, lebt in Sittenlosigkeit.

Traditionen

Allgemein versteht man unter Tradition die Weitergabe von Handlungs­mustern, Überzeugungen und Glaubens­vor­stellungen usw., aber auch das Weiter­gegebene selbst. Tradition geschieht innerhalb einer Gruppe oder zwischen Generationen; das Tradieren kann mündlich oder schriftlich bzw. über Erziehung oder Vorbild erfolgen. Die Fähigkeit zur Tradition ist eine Grund­lage für Kulturbildung. Somit können Traditionen zu Kulturgut werden, zu etwas, das als kultureller Wert Bestand hat und bewahrt wird.

Im Grunde ist also jedes Handeln, das von einer Generation zur nächsten überliefert und übernommen wird, eine Tradition. Als „traditionell“ wird etwas bezeichnet, das auf einer älteren Geschichte aufbaut. Hier schließt der aus dem Englischen stammende Begriff „Folklore“ im Sinne von volkstümlicher Überlieferung und von sog. Volks­liedern und -tänzen an, auch wenn ihm inzw. der abwertende Beigeschmack von eher kommerzialisierten und ver­kitschten Darstellungen von Bräuchen und Traditionen anhaftet.

„Beim zweiten Mal schon Tradition und ab dem dritten Mal Brauch“?

Wie im Laufe des Kalenders festgestellt werden kann, haben alle Bräuche klein angefangen. Aus einer Tradition wurde ein Brauch, sobald die betreffenden Handlungen einem inneren Bedürfnis entsprachen und in der Dorfgemeinschaft allgemein (ob privat oder öffentlich) und unaufgefordert prakti­ziert wurden. Inzwischen kümmern sich einige Vereine um die Aufrechterhaltung gewisser Bräuche, dennoch betrachten wir die z.T. seit Jahrzehnten stattfindenden Vereinsfeste eher als „Tradition“. Im Einzelfall kann die Trenn­linie nur ungenau gezogen werden.

Wir wünschen eine angeregte und anregende Betrachtung und Lektüre.

Der Kalender ist erhältlich bei allen Mitgliedern der Geschichtsgruppe Rocherath-Krinkelt zum Preis von 10 Euro.

1 Vgl. Carlo Lejeune: Leben und Feiern auf dem Lande. Die Bräuche der belgischen Eifel, Band 1 (Von Silvester bis Weihnachten. Die Frömmigkeit des Volkes), St. Vith 1992, S. 13-17, sowie den Online-Duden und die Online-Enzyklopädie Wikipedia.

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