8. Kriegsfolgen

Als die Evakuierten in ihr Heimatdorf zurückkehrten, stand kaum mehr ein Stein auf dem anderen. Rocherath lag zu 95 % in Schutt und Asche, Krinkelt zu 75 %. Zudem sind die beiden Ortschaften in den letzten Kriegsmonaten systematisch ausgeplündert worden und die gesamte Infrastruktur war vernichtet. Darüber hinaus fanden die Heimkehrer kaum mehr Vieh vor, das ihnen den Neustart hätte erleichtern können. Dank der Hilfeleistungen der belgischen Behörden konnten die schlimmsten Nöte überbrückt werden. Es wurden notdürftige Baracken für die Bevölkerung gebaut. Erst als ab dem Jahr 1947 die ersten Kriegsentschädigungen eintrafen, konnte man sich langsam wieder eine Existenz aufbauen.

Den unmittelbaren Nachkriegsjahren hat vor allem die vom belgischen Staat angetriebene sogenannte „épuration civique“ das Gepräge gegeben. Es sollten hierbei all diejenigen zur Rechenschaft gezogen werden, die mit den deutschen Besatzern kollaboriert und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hatten. Ein Viertel der ostbelgischen Bevölkerung geriet dabei (oftmals unverschuldet) ins Fadenkreuz der belgischen Justiz. Vor allem gegen viele Beamte und Gemeinderatsmitglieder, die den Treueeid auf den Führer leisten mussten, aber auch gegen Zivilisten und ehemalige Angehörige von Parteiorganisationen oder der Wehrmacht wurde ermittelt. Wer verurteilt wurde, dem wurden die Kleidungs- und Nahrungsmittelrationen gekürzt. Viele Ostbelgier fühlten sich nun als nicht vollwertige Mitglieder des neuen, alten Vaterlands und versuchten fast zwanghaft, nicht das Misstrauen der Behörden zu erwecken. Diese wiederum versuchten, etwaigen Ressentiments der Deutschsprachigen gegenüber Belgien entgegenzuwirken, indem sie eine gezielte Assimilierungspolitik betrieben. So ließ der Malmedyer Bezirkskommissar im September 1945 in einem (allerdings auf deutsch abgefassten) Rundschreiben verlauten, es sei „unzulässig, dass in einem in der Hauptsache französisch sprachigen Teil Belgiens und namentlich in der Provinz Lüttich weiterhin Inschriften ausschliesslich in deutscher Sprache beibehalten werden.“ Dazu zählen auch Inschriften in Ladenfenstern und sonstige Bekanntmachungen von der Bevölkerung und an die Bevölkerung.

Das Zelt in dem die heimkehrenden Evakuierten die heilige Messe feierten, bis die Notkirche fertig gestellt war.

Das Zelt in dem die heimkehrenden Evakuierten die heilige Messe feierten, bis die Notkirche fertig gestellt war.

Im März 1945 kehrten die ersten evakuierten Rocherather und Krinkelter in die von der Ardennenoffensive zerstörte Heimat zurück. An eine Benutzung der Pfarrkirche war nicht zu denken. Da der Kapellenraum des damaligen Klosters im Hause Fääxen halbwegs benutzt werden konnte, wurden dort erste Gottesdienste im kleinen Kreis von einem amerikanischen Militärgeistlichen abgehalten. Nach Ostern 1945, als die Evakuierten vermehrt zurück kamen und die Aufräumarbeiten in vollem Gange waren, konnte Pastor Joppen ein Zelt organisieren, das hinter der Kirchenruine auf dem Platz vor der heutigen Grotte aufgestellt wurde. Dieses Provisorium blieb ein halbes Jahr, bis zur Fertigstellung der Notkirche aus Holz.

Das Zelt war natürlich nicht zu vergleichen mit dem, was man heute als Veranstaltungszelt kennt. Es war zugig und konnte nicht beheizt werden. Damit mehr Leute hineinpassten, waren keine Bänke vorgesehen. Man musste also während der gesamten Messe stehen. Einen Fußboden gab es auch nicht. Das Zelt war zwar sicher verankert, aber bei Sturm wurde es doch heftig durchgerüttelt sodass den Gläubigen nicht immer ganz geheuer war und sie es wohl am liebsten selber festgehalten hätten. Auf dem Foto sieht diese Zeltkirche trotz der trostlosen Umgebung fast feierlich aus. Der zu erkennende Fahnenschmuck lässt annehmen, dass die Aufnahme vielleicht am Tag der Feier des Kriegsendes oder anlässlich des ersten Kirchweihfestes nach dem Krieg entstanden sein könnte.